Sonntag, 10. Februar 2013

Spezifizierte Komplexität

Es ist wieder an der Zeit für etwas Kreationistenbashing und Aufklärung!

Nach der "nichtreduzierbaren Komplexität" (siehe hier und hier) ist die "spezifizierte Komplexität" das zweite große Argument von Intelligent Design-Vertretern. Es stammt von William Dembski, einem der führenden ID Vertreter (übrigens kein Biologe, sondern Mathematiker).
Dembski behauptet, in der Natur gäbe es zahlreiche Beispiele von, wie er es nennt, "spezifisch komplexer Information". Was ist das? Ein bekanntes Beispiel: Der Buchstabe A ist spezifisch, aber er ist nicht unbedingt komplex. Die Buchstabenfolge "ajykqzt" ist komplex, aber nicht unbedingt spezifisch. Ein Stück von Shakespeare jedoch, ist sowohl komplex als auch spezifisch. Er nennt dies dann "complex specified information", kurz "CSI" (nicht zu verwechseln mit jener Fernsehserie, die nur mit der Kombination von Willam Petersen und Jorja Fox gut war). Diese CSI ist laut Dembski an Anzeichen für "Design", denn er sagt, nur eine Intelligenz, könne ein Shakespearestück schreiben.

Der wichtigste Ansatzpunkt ist für Dembski natürlich die DNA: Eine spezifische Abfolge von vier Basen die komplementär gepaart sind. Man kann sie sich als Buchstaben vorstellen. Gene entsprächen dann Wörtern, die der Zelle sagen, welche Proteine sie herstellen soll (an dieser Stelle sei nochmal angemerkt, dass Dembski Mathematiker ist, kein Biologe). Die menschliche DNA besitzt 3 Milliarden Basenpaare und trägt etwa 25.000 Gene, ist also Komplex. Dass Menschen immer Menschen zu Welt bringen und nicht etwa Schimpansen oder Katzen, ist laut Dembski ein Indiz dafür, dass sie spezifisch ist. Dass es CSI in der Natur gibt, ist laut Dembski ein Beleg für Design, denn eine Intelligenz sei nötig, um CSI hervorzubringen.

Dieses Argument, kann man testen.

Wenn Dembski recht hat, dann wäre es unmöglich, dass ein neues Gen mit neuer Information im Genom eines Organismus auftaucht, es sei denn, ein "Designer" ist daran beteiligt, der dieses Gen "schreibt".

Eine kleine Geschichte: 1975 haben Forscher nahe einer Nylonfabrik in Japan eine Bakterienspezies entdeckt, die Nylon verdauen kann (und zwar eines der Gattung der Flavobakterien). Das Interessante daran: Nylon ist ein Kunststoff und wurde erst vor ca. 70 Jahren erfunden und existierte vorher schlichtweg nicht. Es ist zudem völlig synthetisch und eigentlich unverdaulich für Bakterien. Irgendwo zwischen der Entwicklung von Nylon und der Entdeckung des Bakteriums, muss also ein Bakterienstamm mutiert sein und die sogenannte "Nylonase", mit der sie das Nylon verdauen, entwickelt haben. 

Einige Wissenschaftler wollten dies im Labor mal mit anderen Bakterien (Pseudomonas aeruginosa) ausprobieren und setzten diese in eine Nylonhaltige Umgebung. Sie entwickelten nach einiger Zeit ebenfalls die Fähigkeit, Nylon zu verdauen, verwendete dafür jedoch ganz andere Enzyme (sprich: die Mutationen geschahen an ganz anderen orten im Genom). Und so kann jetzt auch dieses P. aeruginosa Nylon verdauen.

Es gibt nun drei Möglichkeiten, wieso dieses Bakterium das kann:
1. Die Information, Nylon zu verdauen, war schon immer in dem Bakterium enthalten (also vom Designer zu Beginn "eingeschrieben").
2. Der Designer gab dem Bakterium diese Fähigkeit, als es in eine nylonhaltigen Umgebung kam (die Forscher hätten dann also den Designer dazu gebracht, hier einzugreifen).

3. Die Nylonase hat sich auf natürliche Weise per Mutation entwickelt und, weil es einen Vorteil (in einer nylonhaltigen Umgebung) darstellte, war ediese Eigenschaft erfolgreich und wurde weitervererbt: Evolution.

Welche dieser Möglichkeiten die „vernünftigere“ ist, sieht man sofort. Spielen wir doch mal die beiden anderen durch: Wäre das Nylonasegen schon immer im Genom gewesen, müsste man sich fragen, was diese Bakterienspezies die 3,5 Milliarden Jahre getan hat, in denen es noch kein Nylon gab. Die Antwort wäre vermutlich die folgende: Verhungern. Zumindest wäre es aber eine nutzlose, energieverschwendende Eigenschaft gewesen, ständig Enzyme zu produzieren, die zu nichts zu gebrauchen sind... [Achja: Ist jemandem der irrsinnige Fehler dieser Möglichkeit aufgefallen? Hier wird impliziert, dass es diese spezielle Bakterienspezies seit Beginn der Welt gab... etwas wovon wir wissen, dass es nicht möglich ist...] Übrigens taugt diese Möglichkeit zu nichts, denn das ganze Experiment lief ja unter kontrollierten Bedingungen ab... die Forscher haben ja noch die  Ursprungspopulation der Bakterien und können nachschauen...: die haben diese Eigenschaft definitiv nicht!


Hätte der Designer dem Bakterium diese Fähigkeit erst später verliehen, müssten wir uns fragen, wieso er irgendeinem Bakterium das (mal zufällig, mal von Forschern platziert) in eine nylonhaltige Umgebung kommt, plötzlich diese Fähigkeit gibt... und auf welche Weise er dies tut. Der Gegenstand der Frage wäre nun der Designer selbst, über den wir aber leider keinerlei Aussagen machen können... Auch diese Möglichkeit ist aber zu nichts nutze, denn die Forscher haben regelmäßig Stichproben genommen und sie WISSEN, dass diese Eigenschaft über viele viele Generationen hinweig durch zufällige Mutationen entstand und nach und nach verbessert wurde. Die Mutationen geschahen ja nicht "gezielt", sondern, ihrer Natur gemäß, zufällig... Ist der Zufall also nur der Künstlername des "Designers"? Aber wozu braucht es dann überhaupt noch diese Idee von einem "Designer"?

Übrigns: das Nylonaseenzym arbeitet nicht so effektiv wie das Vorgängerenzym, aus dem es sich vermutlich entwickelt hat (da es aber in der nylonhaltigen Umgebung dennoch einen Vorteil bedeutet, war es erfolgreich), also wurde es, wenn designt, ziemlich unintelligent designt...

Was bleibt? Naja: Das was die Forscher beobachtet haben...: Evolution in Aktion!


Übrigens ist Dembskis Vergleich der DNA mit Shakespeare ziemlicher Nonsens: Eine Sprache (z.B. das Englisch Shakespeares) ist schwerlich mit DNA vergleichbar... das Wort "Sofa" z.B. beschreibt eine bestimmte Sorte von Gegenständen, wie auch bestimmte Einzelexemplare (s.Bild). Aber das Wort an sich hat nichts an sich was es mit dem Gegenstand "wirk-lich" verbindet. Das Wort kann beliebig mit anderen Bedeutungen belegt oder ersetzt werden, ohne dass sich irgendetwas ändert: Wenn ich plötzlich anfange die Blume, die Vicco (R.I.P.) in der Hand hält als "Sofa" zu bezeichnen (und umgekehrt) und ich andere dazu bringe, dies auch zu tun, dann würde sich nichts in der Welt ändern, die Verknüpfung zwischen Wort und Gegenstand ist dann auch nicht "mehr" oder "weniger" sinnvoll. Eine menschliche Sprache kann das.
Wenn ich aber an der DNA (und der dortigen Abfolge von "Buchstaben") und also am Genotyp eines Organismus etwas ändere, dann ändert sich die Wirklichkeit! Denn es ist eben jene spezifische Abfolge von Basen die bestimmt, welches Protein am Ende produziert wird... ändere ich die Basen, ändere ich das Protein und seine Funktion und so den Phänotyp des Organismus. Hier sind chemische Prozesse am Werk und also besteht eine reale, physische!, Verknüpfung zwischen dem angeblichen "Wort" (DNA) und dem Gegenstand, dem Protein.
Der vergleich der Wesenheit der DNA mit der von Literatur ist in etwa so Sinnvoll, wie der Vergleich der Wirkweise von Olivenöl beim Braten mit der einer Bärenfalle.

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