Freitag, 28. November 2014

Seite eins

"Beth Hamishpath" - Das Haus der Gerechtigkeit: bei diesen Worten, die der Gerichtsdiener mit gewaltigem Stimmaufwand in den Saal ruft, springen wir von unseren Sitzen, denn sie verkünden die Ankunft der drei Richter, die barhäuptig, in schwarzen Roben von einem Seiteneingang her den Gerichtssaal betreten, auf der obersten Stufe des schräg ansteigenden, erhöhten Podiums ihre Sitze einnehmen und die Verhandlung eröffnen. Ihr langer Tisch, den bald unzählige Bücher und über fünfzehnhundert Dokumente bedecken werden, wird von den Gerichtsstenographen flankiert. Die Dolmetscher, die gleich unterhalb der Richterbank ihren Platz haben, werden immer dann gebraucht, wenn sich der Angeklagte oder die Verteidigung und das gericht direkt miteinander verständigen wollen. Ansonsten verfolgen der Angeklagte und sein Verteidiger, wie übrigens fast alle Zuhörer, die in hebräischer Sprache geführte Verhandlung über Kopfhörer, in denen die Simultanübersetzung in ausgezeichnetem Französisch, brauchbarem Englisch und in einem oft komischen und zumeist unverständlichen deutschen Kauderwelsch zur Verfügung steht. (Je mehr man bedenkt, mit welch minuziöser Fairneß alle technischen Details für diesen Prozeß arrangiert worden sind, desto unbegreiflicher wird, daß es gerade in Israel unmöglich gewesen sein soll, unter so vielen aus Deutschland stammenden Bürgern einen fähigen Übersetzer für die einzige Sprache aufzutreiben, die der Angeklagte und sein Anwalt verstehen. Das alte...  

[Siehe hier. Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen]

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