Samstag, 6. Dezember 2014

Ortlose Theologie

Der evidentermaßen dem Atheismus frönende (siehe z.B. hier) Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet hat dieser Tage in "Christ & Welt" ein Pamphlet veröffentlicht (klick), das ich nicht unkommentiert lassen will.

Die übliche schwarz-weiß-Malerei vom bösen Lehramt der bösen Amtskirche einerseits, und den erleuchteten und dafür drangsalierten Theologen andererseits, läuft nach dem gewohnten Muster. Als exemplarisches Opfer der Verfolgung durch die oppressive Amtskirche wird diesmal Frau Regina Ammicht Quinn herbeigezogen "der man das 'Nihil obstat' verweigerte, eben weil sie sexualethische Fragen bearbeitet hat". Unerwähnt bleibt freilich, dass Frau Quinn das christliche Menschenbild rundweg ablehnt und ihre Ethik sich zusammenfassen ließe mit "erlaubt ist, was gefällt". Das braucht Herr Striet aber auch nicht extra auszuführen, denn er formuliert etwas Gleichsinniges als seinen eigenen Standpunkt, wenn er späterhin unmissverständlich erklärt, dass der Mensch keine Autorität anerkennen dürfe, die ihm vorgeordnet ist. Das ist insofern praktisch, weil damit endlich auch einmal deutlich wird, was Striet unter Freiheit versteht (sein großes Steckenpferd, siehe z.B. hier): "sich selbst ein Gesetz zu sein und nicht auf etwas Vorgeordnetes schielen zu dürfen. Aber auch nicht zu müssen." Etwas verschämt mutet es da an, wenn er noch hinzufügt: "Das darf gelebt werden, was andere Menschen nicht zum Mittel eigener Bedürfnisse degradiert." Was das komkret heißt, darf natürlich jeder selbst festlegen. Das Zauberwort lautet "Autonomiemoral".

Erfreulich finde ich es, dass Striet die Katze aus dem Sack lässt und endlich mal klarstellt, dass es nicht Barmherzigkeit ist, was gewollt ist (das ist ja hierarchisch und überdies in Kategorien von "Wahr" und "Falsch" gedacht!), sondern, wie er es nennt, "Warmherzigkeit"... Ergo: Es geht den Forderern nicht um Toleranz, sondern um vollumfängliche Anerkennung. Recht hat er (vgl. meine Ausführungen dazu hier)!

Ebenfalls ermutigend ehrlich ist der Fundamentaltheologe, wenn er klarstellt, dass für ihn "Gott" nurmehr eine recht abstrakte Möglichkeit darstellt. Entscheidend ist für ihn das, was Menschen einander geben können. Gott ist nurmehr der, der es (was immer "es" ist) annimmt und "vollendet"... aber wirklich brauchen, tut es Gott eigentlich nicht: "Um dies überhaupt tun zu können, bedarf es im Übrigen auch keines Gottes. Dazu reicht, dass der Mensch Mensch sein will, sich und den anderen Menschen in seinen Sehnsüchten ernst nimmt." Es klingt schon recht absurd, wenn Striet einerseits Gott für optional hält, er dann aber diesen Gott als den Vollendenden benennt, um dann schließlich doch wieder die ganze Last einzig auf die Menschen abzuwelzen. Gott tut eigentlich nichts in diesem Konstrukt, er ist offenkundig nur eine fromme Floskel, eine abstrakte "Hoffnung". Und das nennt Striet dann "sakramental".


Amüsant finde ich die Pointe des Pamphlets, die wohl darin besteht, die Ortlosigkeit der Theologie zu beklagen und eine Lösung vorzuschlagen. Die Festellung ist richtig, nur liegt diese Ortlosigkeit nicht, wie Striet meint, an der mangelnden Rezeption durch das Lehramt, sondern an der Beschaffenheit dieser "Theologie", die in der Lage ist alles nur denkbare "theologisch" zu begründen. Die Regalmeter, die laut Striet seit den 50er Jahren mit kontroverser Theologie gefüllt werden, existieren tatsächlich - amüsant ist diese Äußerung des Fundamentaltheologen deshalb, weil das meiste davon nur noch als Altpapier taugt. Ein Blick in seine eigene Bibliothek an der theologischen Fakultät in Freiburg würde genügen: Viele viele Regalmeter verstaubter Bücher der letzten paar Jahrzehnte die kein Mensch ließt, weil es für jedes erdenkliche Thema mindestens zehn verschiedene Standpunkte gibt, die sich alle Widersprechen und von denen die meisten mit dem Glauben nur wenig oder gar nichts zu tun haben. Welchen dieser Standpunkte soll das Lehramt rezipieren? Den von Herrn Striet?

Was ich meine: Die Theologie hat heute in ihrem Mainstream v.a. dieses eine Problem, dass sie nicht wissenschaftlich ist. Echte, wissenschaftliche Theologie findet sich fast nur noch in irgendwelchen Nischen. Das gilt für Katholiken und Protestanten gleichermaßen. Das ist deswegen besonders tragisch, weil die wissenschaftliche Methode, die eine Grundbedingung für die heute überall sichtbare Blüte der Naturwissenschaften ist, eine Erfindung der mittelalterlichen Theologen gewesen ist.

Eine jede Wissenschaft gründet auf Prämissen, die sie nicht selbst begründen, sich nicht selbst geben kann: "absolute presuppositions", nennt das der Anglophone. Jede Wissenschaft muss ihre Prämissen kennen und kann nur auf ihrer Grundlage arbeiten. Das Problem der katholischen Theologie (seit nunmehr 50 Jahren, bei den Protestanten schon länger) ist, dass die Theologen ihre Prämissen zumeist ignorieren oder gar aktiv leugnen. Für die Katholische Theologie ist die zentrale Prämisse: Die Wahrheit des katholischen Glaubens. Die Grundlage der christlichen Theologie ist die Offenbarung Gottes, deren authentische Zeugin und Auslegerin Seine Kirche ist, die Sein Leib ist, von Seinem Geist beseelt. Wird diese Prämisse abgetan, ist keine wissenschaftliche Theologie mehr möglich. Man mag sich dann (Religions)Philosoph oder Psychologe oder Soziologe oder Anthropologe nennen, aber was man sicherlich nicht ist, ist "(katholischer) Theologe".

Das ist der Grund, warum die Theologie in ihrem Mainstream zumeist ortlos ist: Sie ist zur völligen Beliebigkeit verkommen. Sie wabert nur um sich selbst in einem ewigen Kreislauf der Selbstreferenz. Sie betreibt ständig Nabelschau bei gleichzeitiger scheinbar grenzenloser Anmaßung in ihrer Selbstglorifizierung (siehe Striet: alle Antworten auf alle Fragen sind seit Jahrzehnten regalmeterweise vorhanden). Sie spielt sich selbst als Herrin über den Glauben und sogar als Richterin über Gott selbst auf (z.B. hier Striets These über die "Schuld Gottes an seiner Schöpfung"), während sie doch eigentlich Dienerin der Braut Christi, der Kirche sein sollte.
Ihrer Wissenschaftlichkeit versichern sich viele Theologen seit Jahrzehnten durch die Anzahl ihrer Fußnoten pro Seite und anhand der Menge der einbezogenen Literatur. Dieses manchmal schon auf ziemlich lächerliche Weise realisierte Kriterium bringt es mit sich, dass man so ziemlich alles "theologisch" behaupten und begründen kann, solange man nur irgendein Buch oder einen Artikel zitiert, um die jeweils behaupteten Dinge zu "belegen"... notfalls auch, indem man, wie Hans Küng das sehr gerne tut, sich einfach selbst immer und immer wieder zitiert. Widerpsruchsfreiheit der Argumentation ist dabei ebensowenig erforderlich wie Plausibilität.
Das System ist sogar derart pervertiert, dass nicht selten die Treue zum überlieferten christlichen Glauben als eo ipso unwissenschaftlich gebrandmarkt und entsprechend geahndet wird.

Die Theologie ist ortlos, weil sie in der Mehrheit der Fälle kein Fundament mehr hat auf dem sie stehen könnte, weil sie schon vor Jahren ihren Grund ausgehöhlt hat und heute nurmehr von den Wellen eines ruhelosen Zeitgeistes hin und her geschleudert wird. Das Lehramt der Kirche tut gut daran, sehr genau zu prüfen, was sie von dem rezipiert, was unter dem Label "Theologie" daherkommt. Einen Solidarpakt zwischen Kirche und Theologie, wie ihn Striet wünscht, kann es unter diesen Bedingungen unmöglich geben. Denn Gott ist hier viel zu oft nicht mehr der Protagonist der Heilsgeschichte, sondern nurmehr ein Statist, das anschmiegsame Alibi das jedwedes menschliche Tun und Lassen rechtfertigt... ein Handschmeichlergott.

Theologen können problemlos alles behaupten, für jede Position fidet sich ein "Theologe" der sie vertritt. Sie sind die universell einsetzbaren Experten. Und darum nimmt niemand sie ernst. Niemand interessiert sich für die theologischen Zänkereien etwa um die wiederverheirateten Geschiedenen. Aber es ist ein Irrtum, daraus ableiten zu wollen, dass die Menschen sich nicht für das interessieren, was die Kirche lehrt. Die Menschen dürsten nach dem, was die Kirche zu verkündigen hat: Die Wahrheit. Sie bekommen von diesem Wasser aber nichts zu sehen, geschweigedenn zu trinken, weil die Verkündigung fehlt und weil sie vermittels der Medien - besonders auch der literarischen Erzeugnisse der Theologie - den Eindruck gewinnen müssen, das Leben und Glauben der Kirche sei ein unüberschaubares Sammelsurium sich widersprechender theologischer Meinungen. Die theologischen Debatten interessieren niemanden, denn für den Außenstehenden erscheinen sie wie Lagerkämpfe darüber was "wahr" ist, so als stünde das jedem frei zu bestimmen oder als ändere es sich zumindest mit jedem neuen Pontifikat. Das haben die Theologen (aber auch viele Bischöfe, vgl. hier!) wirklich gut hinbekommen... die Wahrheit haben sie abgeschafft. Herr Striet jubelt ob dieser Errungenschaft und fordert schon länger die offizielle, möglichst päpstliche Entsorgung der Wahrheit in effigie - dafür ist die alte Inquisition gerade noch gut genug.
Am Kauderwelsch der Theologen besteht wahrlich kein öffentliches Interesse, da gebe ich Herrn Striet recht, aber die Menschen lechtzen nach der Wahrheit und nach der frohen Botschaft, auch in Betreff Ehe, Familie und Sexualität (vgl. hier und hier). Gebt ihnen zu trinken!
»Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?« (Röm 10,14)

Wenn Papst Franziskus immer wieder eine "Theologie auf Knien" fordert, dann ist das durchaus wörtlich zu nehmen: Ein Theologe muss ein glaubender, ein betender, ein anbetender Mensch sein. Nur wer den Glauben der Kirche teilt und mit Seiner Kirche fühlt, mit ihr vor Gott kniet und Ihm dient, kann auch der Kirche als Theologe dienen. Es ist sehr bedauerlich, dass das Lehramt der Kirche heute mehr denn je das Volk Gottes vor einer herrischen Theologie schützen muss, die andernfalls alles vergiften und zerspalten würde.
Ich habe das Glück einige Theologen kennen zu dürfen, die ihre Verantwortung und ihren Platz in der Kirche kennen. Auch an der theologischen Fakultät in Freiburg gibt es ein paar davon. 


Heiliger Albertus Magnus, Patron der Theologen, bitte für uns.

2 Kommentare:

  1. Ich habe den Artikel auch mit Grausen gelesen, und meine ersten Gedanken entsprachen ungefähr dem, was Du geschrieben hast. Ich fand aber nicht die Lust, darauf zu reagieren, somit danke ich Dir für Deine Analyse.

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  2. Hier lohnt sich das Warten auf neue Beiträge immer. Danke dafür!

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Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.